Die Tränen flossen immer wieder – es waren Freudentränen. So intensiv gefreut wie jetzt in Malaysia hat sich Sebastian Vettel wohl nicht mehr, seit er 2010 in Abu Dhabi seinen ersten WM-Titel gewann. Der erste Sieg für Ferrari, schon im zweiten Rennen für sein neues Team, „was wir alle natürlich nie erwartet hätten“, da brachen alle Dämme, herrschte nur noch die pure Emotion. Vettel weinte auf dem Siegerpodest Freudentränen, konnte auch auf der Pressekonferenz seine Gefühle kaum unter Kontrolle halten. Da brach er dann auch schon mal das offizielle Protokoll, als die ersten Sätze, die ja eigentlich in der jeweiligen Landessprache ausfallen sollen, statt auf Deutsch auf Italienisch kamen, in sehr gutem Italienisch übrigens… Weil Sebastian sich erst einmal bei seinen Team zu Hause in Italien bedanken wollte an diesem Tag, „der nicht nur einen, sondern viele Träume erfüllt, Träume, die ich schon als Kind hatte, seit ich Michael Schumacher, der damals das Idol von uns allen Kart-Kids war, im Ferrari fahren gesehen habe.“ Immer wieder kämpfte er dann mit den Tränen, auch bei den Grüßen nach Hause, „an die Familie, speziell auch an meine Freundin und meine Kleine…“
Solche Sätze entschlüpfen einem Sebastian Vettel, der ja, was Privates angeht, normalerweise immer sehr kontrolliert und zurückhaltend ist, nur, wenn wirklich etwas Außergewöhnliches passiert ist, das ihn absolut überwältigt. Und dieser Sonntag bei über 30 Grad Hitze in Malaysia, der war so einer. Einer, an dem er wusste, zusammen mit seinem Team das fast Unvorstellbare geschafft hatte: Die unverwundbar erscheinenden Mercedes auf der Strecke geschlagen, nicht mit Glück, sondern durch eine perfekte Leistung seinerseits – und der gesamten Ferrari-Mannschaft.
Das begann schon mit der fantastischen Qualifying-Runde im Nassen, die den wichtigen Platz in der ersten Startreihe sicherte, setzte sich fort mit einem sehr guten Start, bei dem es ihm gelang, Nico Rosberg im zweiten Mercedes hinter sich zu halten, und endete mit einem perfekten Rennen: Schnell, Reifen schonend, ohne den kleinsten Fehler – so setzte Vettel die Vorgaben der Ferrari-Strategen um, die einen Weg gefunden hatten, Mercedes hier massiv unter Druck zu bringen. „Wir werden und hier wirklich anstrengen müssen, um vor Ferrari zu bleiben“, hatte Mercedes-F1-Aufsichtsratschef Niki Lauda schon vor dem Start geunkt, „obwohl ich davon ausgehe, dass unser Auto zumindest unter normalen Bedingungen, im Trockenen, immer noch ein paar Zehntel schneller ist.“ Und als hätte der Österreicher schon eine aus seiner Sicht böse Vorahnung gehabt: Mercedes konnte in Malaysia das eigene Potenzial nicht wirklich umsetzen, während Sebastian Vettel und Ferrari einen absolut perfekten Tag erwischten, alles richtig machten – und die verdiente Belohnung erntete.
„Da oben auf dem Podest zu stehen, und zu sehen, wie unten die ganzen Leute vom Team, die Mechaniker stehen, alle die italienische Nationalhymne mitsingen, das ist ein unbeschreibliches Gefühl. Ich bin einfach sprachlos. Mein erster Sieg in Monza damals mit Toro Rosso 2008, dann auch der erste mit Red Bull in China 2009, das waren immer einzigartige Momente. Dieser ist es auch, vielleicht sogar noch ein bisschen mehr. Weil es eben ein schon ein Kindertraum von mir war, einmal Teil dieses Teams zu sein, mit Ferrari zu gewinnen. Es ist so unglaublich emotional. Ich glaube, es wird vielleicht noch eine Weile dauern, bis ich das alles richtig begreife.“
Nach der Interview-Marathon bei den diversen TV-Stationen wollte er dann natürlich so schnell wie möglich zu seinen Leuten, „um diesen Tag so richtig zu feiern und zu genießen“. Eigentlich hatte er ja noch am Sonntag Abend nach Hause fliegen wollen – „aber ich glaube, der Flug wird doch eher umgebucht“, meinte seine Sprecherin Britta Röske lachend. Sein Chef Maurizio Arrivabene kam Vettel auf dem Weg zurück zur Ferrari-Box schon mal entgegen. Beide jeweils mit Dutzenden Kamerateams im Schlepptau – als sich nicht nur die beiden Protagonisten in inniger Umarmung, sondern auch die beiden Medienknäuel vereinigten, brach kurzzeitig das absolute Chaos aus…
Ganz im Gegensatz zu der erstaunlichen Ruhe, die der Ferrari-Teamchef zuvor an der Boxenmauer bis zum Rennende ausgestrahlt hatte. „Ja, ich bin cool – man muss versuchen, ruhig zu bleiben. Denn wenn man selbst ruhig ist, dann bleiben auch die anderen Leute, mit denen man arbeitet, das ganze Team, ruhig“ Ob er insgeheim auf so ein Ergebnis gehofft hätte? „Seit gestern haben wir noch einmal einen Schritt gemacht, auch wenn es da ja auch schon ganz gut aussah. Aber Sebastian hat auch wieder eine fantastische Leistung gebracht. Wir hatten vielleicht auch ein bisschen Glück, dass in der Safety-Car-Phase alles für uns gelaufen ist. Ich bin so stolz, für Ferrari zu arbeiten. Das ist ja nicht nur eine One-Man-Show, wir haben tausend Leute in Maranello, die alle für diesen Erfolg gearbeitet haben, zusätzlich zu den Leuten hier. Ich freue mich riesig für alle.“